Es war wirtschaftlich keine gute Zeit, als man sich am 15.1.1926 im Anker in der Helenenstrasse traf, um die Spinner ins Leben zu rufen.
Die Verbundenheit der Kollegenschaft im Druckereigewerbe war stark. Es gab spärliche Freizeitangebote und fast alle Mitglieder wohnten in der Innenstadt. Die Beziehung zur Kultur und zum Theater
machte es bei der Gründung möglich, aus diesem Fundus ordentliche Leut zu machen, zumindest in der Fastnachtszeit.
Am 16. Januar war es schon soweit. Man veranstaltete im Gewerkschaftshaus die 1. Kappensitzung, wobei mangels Kappen diese durch Strohhüte, sogenannte Kreissägen, ersetzt wurden.
Dem Namen“ Buchdrucker Komitee“ der Spinner folgte 1930 der Name
„Die Spinner des Gesangsverein Gutenberg“
Als einer der Mitbegründer und langjähriger Sitzungspräsident war der Schriftsetzer Reinhold Jost ( Reinhold, der Galante) der später als Kulturdezernent in der Politik tätig war. Ein weiterer
Mitbegründer war Schriftsetzer Georg Buch, später Oberbürgermeister von Wiesbaden und Landtagspräsident. Von 1926 bis 1933 ging es mit der Schar bergauf.
1933 hatte die Arbeitslosigkeit in erschreckendem Maße zugenommen und im graphischen Gewerbe arbeiteten viele Betriebe verkürzt. Fast schien es aussichtslos, eine karnevalistische Veranstaltung
größeren Formats durchzuführen. Trotzdem fand die Sitzung am 28.1.1933 statt, mit einem überraschenden Ergebnis. 1500 Besucher füllten das Paulinenschlößchen. Diese wie die vorangegangene Sitzung war
restlos ausverkauft.
Durch den großen Erfolg dieser Sitzung ermutigt, wurde dieselbe mit einigen Programmänderungen am 26.2. wiederholt. Die Sitzung und der danach erfolgte Ball dauerte bis 5 Uhr in der Früh. 2 Kapellen
spielten unermüdlich zum Tanz und die Spinner liessen es sich was kosten. Das Kassenvermögen des Gesangverein Gutenberg schmolz bis auf einen winzigen Betrag zusammen. Wer den kommenden Ereignissen
entgegen sah, und das taten die Verantwortlichen der Spinner, musste sich sagen: Besser wir machen heute einen „Richtigen drauf“, wovon alle anwesenden Spinner etwas haben, als dass die Nazis später
unser gesamtes Kassenvermögen beschlagnahmen.
Aus politischen Gründen stellte man den Singbetrieb am 5.5.1933 ein, bis bessere Zeiten ein sorgloses Miteinander wieder ermöglichen. Mit der Auflösung des Gesangverein Gutenberg war auch das
Schicksal der Spinner besiegelt.. Der Fundus wurde bei zuverlässigen Kollegen und in der Hände der ehemaligen Ortsvereinsdruckerei übergeben.
Am 10.5. kamen Uniformierte in die Wohnung des Zeughausverwalters Gustav Ebicht und verlangten die Herausgabe sämtlicher Spinner-Insignien: Komitee-Kappen, silberne Ketten, Zeremonienstab, Zepter und
vor allen Dingen die Holzgewehre der Spinnergarde.
Viele Aktive steckten die Nazis ins Gefängnis.
Erst nach zähen Verhandlungen wurden die Spinner-Insignien wieder zurückgegeben, allerdings nicht die Holzgewehre, da diese ja missbraucht werden könnten.
So feierten die verbotenen Spinner am 11.2.1936 ihr 10-Jähriges Jubiläum in einer geheimen Feier in der Friedrichstrasse . Hier wurde auch der einmalige Blutorden an Aktive verliehen.
Illegale Sitzungen wurden noch bis in die ersten Kriegsjahre abgehalten.
Um die Vernichtung der Spinner-Insignien zu entgehen, lagerten die Spinner 1942 die Insignien beim Gesangverein Typographia Innsbruck aus.
Nach dem Krieg wurden die Geister wieder munter, aber viele konnten nicht mehr dabei sein.
Es fehlte an materiellen Dingen und Sälen, aber nicht an Improvisation, Kampfgeist und Aktiven. Der Gesangverein Gutenberg-Die Spinner wuchsen stark an, man wartete auf den 100.Sänger.
1949 nahm man erstmals wieder am Fastnachtssonntagszug teil. Am 6.2. feierten die Spinner im Schwalbacher Hof in der Emserstrasse, die Rückkehr der Insignien aus Innsbruck nach Wiesbaden.
1950 haben die Spinner mit 6 weiteren Vereinen die DACHO gegründet. 1952 wurde von den Spinnern der 1. Wiesbadener Fanfarenzug eines Karnevalsvereins gegründet . Natürlich ging auch an den Spinnern
der Zeitwandel nicht spurlos vorüber. Viele hatten nun auch ein Auto und konnten umziehen. So war auch das gemütliche Zusammensitzen bis tief in die Nacht bei Gesang zur Gitarre nach der Singstunde
nicht mehr gegeben. Die Geselligkeit verlor an Boden und das Singlokal , das Kolpinghaus in der Dotzheimerstrasse ,musste aufgegeben werden.Der langjährige Chormeister Rolf Wilberg verstarb im Mai
1972 und trotz neuem Dirigenten Wolfgang Groth, ging die Sängerzahl zurück.
In einer aussergewöhnlichen Mitgliederversammlung am 16.6.1973 wurde der Gesangverein Gutenberg aufgelöst. Da der Spinner- Fanfarenzug zu dieser Zeit etwa 40 junge Aktive hatte, übernahm dieser nicht
nur ein ordentliches Startgeld aus der Gesangskasse, sondern auch das Spinner-Inventar, Idee und Tradition als Aufgabe. So ist die Jugend hineingewachsen und war um Fortführung bemüht. Es dauerte
einige Jahre, bis wieder eine Sitzung stattfinden konnte.
Der Fanfarenzug hatte Auftritte bei Umzügen und Sitzungen und war rege bei Zeltlagern und Jugenherberge-Aufenthalte.
Unter Sitzungspräsident Erwin Hinz fand 1976 wieder eine Sitzung im Germaniaheim in der Waldstrasse statt. Ab 1979 ging es dann mit Dieter Schmitt als Sitzungspräsident kontinuierlich mit der
Fastnacht bergauf. Zunächst im Germaniaheim, ab 1982 im Anny-Lang-Heim. 1989 leitete Michael Biehl als Sitzungspräsident die Sitzung und die Jahre danach, bis er von Axel Potrikus abgelöst
wurde.
1993 und 1994 übernahm Uwe Vogt sen. als Sitzungspräsident das Zepter und die folgenden Jahre übernahm wieder Axel Potrikus.
In den folgenden Jahren wechselte der Sitzungspräsident immer wieder und man musste auch auf Gastpräsidenten zurückgreifen.
Die Spinner haben sich weiter entwickelt und der Fanfarenzug hat sich mittlerweile aufgelöst.
Man konnte sich inzwischen über ein Vereinsheim in der Schwalbacherstrasse der alten Kliniken freuen. Hier haben die Mitglieder selbst renoviert und umgebaut. Jede Woche fanden Treffen statt und
viele Jahre waren die Feste auf dem Gelände gut besucht. So gingen einige Jahre ins Land.
Es kam eine andere Zeit, wo viele Mitglieder bei den Spinnern ausgetreten sind und es wurde ruhig um den Verein und die Spinner drohten auszusterben.
Feste am Vereinsheim in der Schwalbacherstrasse waren auch nicht mehr so gut besucht und mehr als eine Handvoll aktiver Mitglieder gab es nicht mehr. Uwe Vogt sen. und sein Sohn Uwe Vogt konnten
Spinner nicht mehr retten und der Verein drohte auszusterben.
2012 wurde der 1. Vorsitzende Uwe Vogt sen. in der Mitgliederversammlung abgelöst von Silvia Wohlgemuth, die den Spinnern einen neuen Aufschwung gab und neue und junge Mitglieder werben konnte.
Die Sitzungen sind mittlerweile im Tattersall und seit einigen Jahren wieder gut besucht und gefragt. Das Geheimnis hierzu erfand die 1. Vorsitzende mit Mottositzungen. Die Uniform blieb im Schrank
und Komitee wie Gäste kostümierten sich passend zum Motto. So holte man die Gäste ab und alle hatten mächtig Spaß.
Die Spinner feierten ihr 88-Jähriges Jubiläum und jedes Jahr hat die Spinner und ihre Mitglieder in der Fastnacht geprägt.
Sitzungspräsident 2012 - 2022 im Amt, war Markus Friedrich.
Von 2022-2023 Kevin Wollny
Ab 2023 wurde Dirk Neeb -Horn zum Sitzungspräsident ernannt.
In der Kampagne 24/25 feierten Spinner ein Närrisches Jubiläum. 9 x 11 Jahre wird man nicht alle Tage und das wurde gebührend gefeiert. Mit Vollendung des Puzzleordens, einem grandiosen Programm und
vollen Saal mit tollen Gästen.
Längst feiern Spinner nicht mehr im Tattersall, da der zu klein geworden ist. Spinner Wiesbaden sind nun fest im Bürgerhaus Wiesbaden zu Hause und fühlen sich dort sehr wohl.
Der Tattersall wird nun noch für die Mallorca Party und Oktoberfest genutzt. Hier war es auch dringend nötig, einen größeren Saal zu nutzen.
In der Kampagne 25/26 feiern Spinner nun ihr historisches 100.Jubiläum.
100 Jahre Brauchtum, Fastnacht und vor allem Spinner-Familie. Das zeichnet Spinner aus. Viele neue Mitglieder wurden in den letzten Jahren gewonnen, die in den verschiedensten Gruppen aktiv sind.
Dazu kommt ein 30 köpfiges Aktiventeam , welches gemeinsam alle Veranstaltungen plant und somit den Vorstand entlastet. Das Geheimnis ist, dass so jeder mitgenommen wird und seine Ideen einbringen
kann.
100 Jahre Spinner und kein Ende in Sicht. Es gibt noch viele Ziele, das Brauchtum wird weiter am Leben gehalten. Den Gästen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern und den Alltag vergessen lassen. Das
wollen Spinner weiter voran treiben.
Die Vorsitzenden in der Spinner-Geschichte:
Reinhold Jost, Willi Spitz, Franz Schneider, Erich Kohlmeyer, Gerd Pröpper, Herbert Reck, Dieter Schmitt, Rudolph Marschall, Dieter Schmitt, Herbert Reck, Uwe Vogt sen.
Derzeit aktiv : Silvia Wohlgemuth